Einigungshilfe

Phase 4 der Mediation: Lösungs-Optionen finden und auswählen

Damit die Klient*innen in Phase 4 der Mediation, also bei der Erarbeitung und Auswahl von Lösungs-Optionen erfolgreich sind, haben sie in Phase 3 ein tatsächliches Verständnis für die tieferliegenden Beweggründe der jeweils Anderen erreicht und ein grundsätzliches Wohlwollen füreinander entwickelt – was am Anfang der Mediation meist noch ganz unwahrscheinlich schien (wie das geht, haben wir für die Auftragsklärung, die Darstellung der Sichtweisen und die Interessenklärung bereits  beschrieben).

Oft entstehen Lösungideen schon vorher im Prozess und werden von der Mediatorin notiert. Die kritische Diskussion und Weiterentwicklung von Ideen, und vor allem die „Erfindung“ neuer, vielleicht auch absurd erscheinender Ideen, erfolgt erst jetzt, im „Land der leichten Lösungen“ (Christian Prior). Eine Idee gibt die andere, und so entstehen bisweilen lange Listen. Hier ein Auszug aus der Liste der Ideen, die Frau Özkaya und Frau Schmidt (s. Beispiel hier) entwickelten, in der Reihenfolge, wie sie ihnen einfielen:

  1. Kündigung von Frau Ö., mit Unterstützung der Chefin bei der Suche nach geeigneterem Job außerhalb
  2. Weiterbildung für Frau Ö. in interkultureller Mediation
  3. Weiterbildung für Frau S. in Umgang mit Diversität
  4. Pflegedienst für Eltern engagieren (evtl. Kostenbeteiligung durch Unternehmen)
  5. Einstellung eines Bruders von Frau Ö. und Jobsharing der beiden à immer einer da und trotzdem kann immer einer bei den Eltern sein
  6. Neudefinition von „Zuverlässigkeit“ über Aufgabenerfüllung statt über Arbeitszeiten à mehr Eigenverantwortung für Frau Ö.
  7. Vorstellung von Frau Ö. im hausinternen Newsletter und dort auch Interview mit Frau Gök, einer Expertin für interkulturelle Fragen, zur Frage des alltäglichen Umgangs mit Diversität im Unternehmen
  8. Testweise Versetzung von Frau Ö. in die Personalabteilung, dort Zuständigkeit u.a. für Betreuung von Mitarbeitenden mit sozialen Schwierigkeiten
  9. Homeoffice für Frau Ö. bei familiären Engpässen ermöglichen
  10. Chefin erscheint 3x mit bei der Kaffeepause und initiiert/unterstützt dort einen persönlichen Dialog, so dass Frau Ö. einen guten Einstieg findet mit Kolleg*innen

Manche dieser Optionen ergeben nur einen Sinn unter ganz bestimmten Umständen. So ist Option 5 natürlich nur ein gangbarer Weg, wenn es einen Bruder gibt, der ähnliche Qualifikationen hat. Von außen ist nicht zu beurteilen, welche Optionen realistisch sind und welche beide Seiten befriedigen werden, aber das ist ja auch nicht erforderlich: Die Klient*innen sind die Expert*innen für ihre eigenen, individuellen Lösungen, die für niemanden anders passen müssen. Die Mediatorin wird sich auch in dieser Phase inhaltlich zurückhalten und nur mit ihren Kenntnissen von Kreativitätstechniken unterstützen.

Bei der Auswahl der Optionen hilft die Liste der Interessen (aus Phase 3): Welche Optionen erfüllen welche Interessen und welche nicht? Wie können Optionen kombiniert werden, um möglichst alle, zumindest aber die wichtigsten Interessen zu befriedigen? Versprechen der Mediation ist es, Ergebnisse zu finden, die für beide Seiten besser sind als ein Kompromiss auf halber Strecke (vgl. abstrakte Erläuterungen für Phase 3). Je nach konkreter Situation der beiden Beteiligten kann die Versetzung von Frau Ö. (Option 8) das womöglich erfüllen: Sie hat in der Personalabteilung einen Wirkungsort, der ihr viele intensive Kontakte mit Kolleg*innen ermöglicht, ja sogar erfordert, und gleichzeitig kann das Unternehmen womöglich mehr von ihrer speziellen Kompetenz für die Beziehungsebene sozialer Interaktionen profitieren. Vielleicht kann Option 7, die sich mit jeder anderen Lösung kombinieren lässt, einen unerwarteten Zusatznutzen für das Unternehmen bringen? Das wäre dann, was in der Mediation die „Vergrößerung des Kuchens“ genannt wird. Vielleicht ist aber auch letztlich eine einvernehmliche Trennung die beste Lösung – das ist zwar ein seltenes Ergebnis von Mediation und sicher nicht das schönste, aber in der Regel weit besser als ein fortgesetzter Konflikt.

Die gefundenen Optionen, die fest vereinbart oder testweise implementiert werden sollen, werden dann in der letzten Phase der Mediation in konkrete, überprüfbare Vereinbarungen umgesetzt, die rechtsverbindlich und auf Wunsch auch vollstreckbar sind – näheres dazu hier (Phase 5).

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