Hände von zwei Menschen im Gespräch

Mediation durch Führungskräfte

Die eigenen Mitarbeiter mediieren?

Führungskräfte sind ständig mit Konflikten beschäftigt – leicht mal mit 50% ihrer Arbeitszeit, sagen Studien (z.B. Hernstein Management Report 2002). Sie machen das manchmal klug geplant, manchmal intuitiv oder eher zufällig: Je nachdem, ob sie entsprechende Kenntnisse, Erfahrungswerte und den nötigen Mut mitbringen. Wenn Mitarbeiter es – warum auch immer – nicht mehr schaffen, ihre Anliegen miteinander im direkten Gespräch zu klären, wird das Thema hoffentlich bei ihrer Vorgesetzten aufschlagen. In vielen Fällen wird diese eine Lösung herbeiführen können, durch Entscheidung, durch Kompromiss, indem sie zusätzliche Ressourcen organisiert oder mit einer guten Idee. Das wird in der Regel funktionieren, wenn es um frühe Stadien eines Konflikts und niedrige Eskalationsstufen geht 

Wie „tief“ darf die Führungskraft in der Mediation gehen?

Aber darf die Vorgesetzte auch, wie in einer Mediation, nicht nur „der Sache“ auf den Grund gehen, sondern auch durch Aktives Zuhören und kluge Fragen Emotionen erfragen und die Beziehung klären, also die tieferen Schichten des Konflikts aufdecken und lösen? Darf sie Interessen und Bedürfnisse eruieren, auch intensive nicht-kognitive Methoden wie Stuhl- und Platzwechsel oder Doppeln nutzen?

Verboten ist es jedenfalls nicht, solange es den Betroffenen recht ist (das allerdings ist Voraussetzung, wegen der gesetzlich vorgeschriebenen Freiwilligkeit von Mediation). Und es ist wahrscheinlich niedrigschwelliger als eine formal angesetzte Mediation, häufig schneller, und auf den ersten Blick auch billiger. Eine Konfliktregelung durch die Vorgesetzte erfüllt allerdings nicht alle Kriterien einer Verständigungs-Mediation und kann dadurch z.B. weniger nachhaltig geraten oder sogar negative Rückwirkungen auf die Vorgesetzte haben. 

Also: Führungskräfte dürfen mediieren. Nur: Warum sollten sie? 

In der angespannten Situation eines Konflikts, sei er akut eskaliert oder schon „eingefroren“, also chronisch, ist die Lage oft unübersichtlich: Wer genau ist wie schwer betroffen, was mag noch dahinterstehen an Problemen, Verletzungen, Missverständnissen, Interessengegensätzen? Das ist manchmal von außen leichter zu erheben und zu analysieren als als Insider. Und nicht zuletzt ist auch die Führungskraft selbst oft Teil des Konflikts – sei es aktiv durch ihre Handlungen, oder durch ein Unterlassen, oder auch nur, weil Beteiligte ihr (fälschlich?) unterstellen, eine Seite mehr zu unterstützen als die anderen. Da ist es oft einfacher und kostengünstiger, wenn sie zumindest die Mediatoren-Rolle extern vergeben kann, und von dem erfahrenen Mediator dabei unterstützt wird, sowohl als Konflikt-Beteiligte als auch als Führungskraft konsistent auftreten zu können, um danach – unbeschadet durch den Konflikt – wieder mit voller Kraft für ihre Mitarbeiter, ihre Aufgabe und ihr Unternehmen zur Verfügung zu stehen. 

Rollen sauber trennen!

Um trotzdem effektiv und authentisch sein zu können, muss die Führungskraft achtsam ihre drei Rollen unterscheiden:

  • ihre Rolle als Mediatorin inhaltlich abstinent, allparteilich, freundlich-zugewandt,
  • ihre Rolle als disziplinarische Vorgesetzte mit inhaltlicher Entscheidungskompetenz, mit Sanktionierungs-Option, mit Bewertungsfunktion für ihre Mitarbeiter,
  • ihre Rolle als Konfliktbeteiligte (mit klarer Position, unerfüllten Interessen und Bedürfnissen, vielleicht mit Verletzungen).
     

Einige Prinzipen der Verständigungsmediation

  • Allparteilichkeit
  • inhaltliche Zurückhaltung
  • Freiwilligkeit
  • Vertraulichkeit

Konflikte sind Chefsache - Mediationen also auch

Fast alle Organisationen sind hierarchisch strukturiert. Das ist einerseits eine Ressource für Mediationen: Sie können von der Unterstützung durch die Führungskraft profitieren. Andererseits sind die Hierarchien ein Teil der Organisations-Realität, die die Mediation berücksichtigen muss, um nachhaltig sein zu können. Konkret: Die Führungskraft soll durch die Mediation in Kooperation mit ihren Mitarbeitern handlungsfähiger werden, sie soll sicher und konsistent führen können. Systemtheoretisch gesprochen sagt man, die Mediation müsse an das System Organisation anschlussfähig sein. Deshalb sollte eine Mediation nicht an der Führungskraft vorbei durchgeführt werden, sondern vielmehr mir ihr.

Die Führungskraft als Auftraggeberin und Vorbild

Die Führungskraft ist inhaltliche Auftraggeberin der Mediation (auch wenn die formale Auftraggeberin die Personalabteilung o.Ä. sein mag). Sie

  • fordert von den Konfliktparteien eine Einigung und dauerhafte Kooperation ein, 
  • sie gibt der Mediation das nötige Gewicht, 
  • sie fordert Veränderung ein, 
  • sie ist letztlich verantwortlich für das Nachverfolgen von Vereinbarungen. 

Daher bereiten wir jede Mediation mit der Führungskraft sorgfältig vor, und in aller Regel wird sie in der Mediation anwesend sein und mitwirken. Sie kann Vorbild sein, indem sie sich Schwierigkeiten stellt und in einem authentischen Dialog klares Feedback gibt und selbst offen für Kritik ist (s. die Checkliste zum Eingangsstatement einer Mediation). Die Führungskraft gewinnt so an Klarheit, sie kann sich inhaltlich positionieren, und sie kann etwas über sich und ihre Mitarbeiter lernen, um zukünftig noch besser situationsadäquat führen und ähnlich schwierige Situationen selbst lösen zu können.

Sprechen Mitarbeiter offen, wenn der Chef dabei ist?

Für die Mitarbeiter kann es zunächst einschränkend sein, dass ihre Chefin dabei ist. Vielleicht überlegen sie sorgfältiger, was sie sagen und von sich preisgeben wollen, und was nicht. Das ist aber kein Nachteil: Es ist völlig angemessen, im Berufskontext allzu Privates für sich zu behalten. Was aber die Chefin nicht erfahren soll, trotzdem dem Konfliktpartner gegenüber offen zu legen, macht es für beide schwieriger, der Chefin unbefangen zu berichten und spätere Probleme transparent zu kommunizieren. Besser, sie kann in der Situation nachfragen, und die Mitarbeiter können eigenverantwortlich entscheiden, was sie mitteilen möchten und was nicht.

Die Führungkraft integriert die Ergebnisse in die Organisation

Umgekehrt schützt die Anwesenheit der Führungskraft sie auch davor, dass die Mitarbeiter den einfachen Ausweg wählen, Verantwortung undifferenziert auf die Chefin abzuwälzen, ohne dass sie aber dazu Stellung nehmen und gemeinsam ein Ausweg gesucht werden kann. Eine anwesende Führungskraft muss auch nicht mühsam über das Ergebnis informiert werden und vermeidet womöglich widersprüchliche Darstellungen; sie war ja dabei und hat sich selbst ein Bild gemacht. So können die Ergebnisse der Mediation gut zur Organisation passen und sie nachhaltig verbessern – zum Wohl der Mitarbeiter und des Unternehmenserfolgs.

Welche Führungskraft beauftragt?

Auftraggeberin einer Mediation ist die Führungskraft – aber welche? In vielen Fällen breiten sich Konflikte in Unternehmen und Organisationen über mehrere Hierarchiestufen hinweg aus; es ist z.B. selten, dass es im Team rumort, ohne dass nicht auch jemand Vorwürfe gegen die Teamleiterin erhebt. Es kann dann unsere Allparteilichkeit in Frage stellen, wenn sie gleichzeitig unsere Auftraggeberin ist. Daher ist unser Grundsatz, dass die niedrigste nicht direkt in den Konflikt verwickelte Führungskraft unsere Auftraggeberin ist (ein Grundsatz aus der „Klärungshilfe“). Dieses Einbeziehen auch hierarchisch weit oben stehender Führungskräfte lohnt sich, um eine Mediation sauber aufsetzen zu können, ihre Erfolgschance zu erhöhen und ihren Ergebnissen Reichweite zu verleihen. 

Es stellt auch ein Stück weit ein Macht-Gleichgewicht her zwischen Mitarbeiter und Vorgesetzten, wenn die übergeordnete Führungskraft involviert ist, die nicht am Konflikt (wohl aber an seiner Lösung) beteiligt ist. 

Anleitung für Führungskräfte

In überschaubaren Konflikten können Führungskräfte viel erreichen mit einem einfachen Vorgehen. Lassen Sie sich dazu nicht zu viel von den Beteiligten im Einzelgespräch berichten – es ist nie vollständig, und deshalb keine geeignete Entscheidungsgrundlage. Rufen Sie vielmehr möglichst sofort alle Konfliktbeteiligten zum gemeinsamen (!) Gespräch zusammen und…:

  • Stellen Sie Ihr Ziel für dieses Gespräch klar (Missverständnisse ausräumen, Atmosphäre bereinigen, Kooperation verbessern, Entscheidungen treffen,…).
  • Lassen Sie beide Seiten ernsthaft zu Wort kommen und lassen Sie sich von dem anderen Beteiligten sagen, wie er die Aussagen verstanden hat.
  • Fassen Sie die Situation zusammen, ohne zu beschönigen, ohne zu dramatisieren.
  • Bitten Sie um Lösungsvorschläge, wenn Ihnen das angemessen erscheint.
  • Treffen Sie Ihre Entscheidung.

Mehr Wissenswertes

Diese Inhalte stammen aus unserem Newsletter “Wissenswertes”. 

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