Den Zusammenhang von Konflikten und Krankheit verstehen und beenden
Konflikte belasten emotional – aber viele Betroffene spüren die Folgen auch körperlich. Wenn der Schlaf ausbleibt, es im Magen drückt, Schwindelgefühle und Rückenschmerzen Betroffene plagen, beginnt die Suche nach körperlichen oder seelischen Gründen. Oft aber sind belastende soziale Situationen, speziell eben: Konflikte, die eigentliche Ursache. Ohne sie aufzulösen, kann keine nachhaltige Besserung erfolgen. Umgekehrt gilt: Werden Mitarbeiter aus gesundheitlichen Gründen weniger leistungsstark oder fallen ganz aus, kann das Konflikte schüren. So entwickeln sich Teufelskreise, für deren Auflösung also beide Aspekte bearbeitet werden müssen.
Systematisch und prophylaktisch kann das mit Konfliktmanagementsystemen und Betrieblichem Gesundheitsmanagement gelingen - und auch bei deren Einführung gilt es wie der, die gegenseitigen Abhängigkeiten im Blick zu behalten.
Der Teufelskreis von Konflikt und Krankheit
Wie entstehen aus Konflikte Krankheiten? Weil sie immer Ärger und meistens auch Ängste auslösen und andere belastende Emotionen, also: psychischen Stress verursachen. Dieser Stress wiederum beeinflusst z.B. den Hormonhaushalt und kann so eine Anfälligkeit für Infekte verursachen, oder durch die Anspannung ganz direkt etwa zu Herz-Kreislauferkrankungen führen (vgl. Ballreich/Glasl 2011).
Aber auch umgekehrt gilt: Gesundheitliche Beeinträchtigungen können Konflikte auslösen und verschärfen. Erleben nämlich Menschen Krankheiten als berufsbedingt, liegen Vorwürfe gegen das Unternehmen, gegen Kollegen oder Führungskräfte nahe. Außerdem verringert eine angeschlagene Gesundheit die Leistungsfähigkeit, wodurch Kollegen stärker belastet werden oder das Team insgesamt weniger gute Ergebnisse bringt – ein Nährboden für weitere Unzufriedenheit und Vorwürfe.
Bleiben Vorwürfe unausgesprochen im Raum, z.B. wegen einer (vermeintlich?) nötigen Rücksichtnahme auf den Kranken, können sie sich zu echten Konflikten ausweiten. Auch Vermutungen, die Krankheit sei nicht echt oder diene gerade dem Vermeiden einer Konfliktregelung, sind nicht selten. Und schließlich kann bei längerer Arbeitsunfähigkeit eine Entfremdung zwischen Betroffenem und Team eintreten: Die Ungewissheit über die jeweils „andere“ Seite steigt, und es können Konkurrenzsituationen mit der Vertretung entstehen, wenn der erkrankte Kollege zurückkehrt.
In vielen Fällen also bedingen sich gesundheitliche Einschränkungen und konflikthafte Auseinandersetzungen gegenseitig und verstärken sich im Sinne eines Teufelskreises (*Grafik). Dann ist die ursprüngliche Problematik oft nur noch schwer zu erkennen, was zu weiteren Verwicklungen führen kann.
Das ist eine ernste Herausforderung für Führungskräfte, die oft mitten im Geschehen stehen. Ihre Rolle dabei ist kaum zu überschätzen (s. Gregersen 2011).
Krank machende Konflikte bearbeiten
In verwickelten Konflikten gilt es, Schicht für Schicht „aufzuräumen“, um als Team bestehen und als Einzelner gesund zu bleiben.
Mediatives Konfliktmanagement kann auf beiden Seiten des Teufelskreises – der des sozialen Konflikts und der der individuellen Gesundheit – positiv wirken. Es entlastet unmittelbar, weil es den Beteiligten ermöglicht, gehört zu werden. Durch das Fragen nach den eigentlichen Interessen werden außerdem neue, nachhaltige Lösungen in den Sachfragen möglich, z.B. in Fragen der Arbeitsorganisation, die praktisch immer Teil der Problemlage sind (zur Funktionsweise von Mediation s. hier). So wird die gesundheitliche Belastung verringert und gleichzeitig über die gestärkte Selbstverantwortung in der Mediation die persönliche Konfliktkompetenz gesteigert: Der Teufelskreis wird aufgelöst. Geschulte Führungskräfte und Mitarbeiter oder externe Mediatoren können also gleichzeitig einen wichtigen Beitrag zu einem erfolgreichen Gesundheitsmanagement und zu einer nachhaltigen Konfliktbearbeitung leisten.
Nicht selten deckt eine mediative Konfliktbearbeitung darüber hinaus auch strukturellen Veränderungsbedarf auf. Wird er angegangen, wird sich das wiederum positiv auf ein gesundes Arbeitsumfeld auswirken, weit über die ursprünglich Beteiligten hinaus.
Synergien von Konflikt- und Gesundheitsmanagement
Wenn es sinnvoll ist, im „Störungsfall“ Gesundheit und Zusammenarbeit, etwaige Beeinträchtigungen und Konflikte gemeinsam zu betrachten, weil sie miteinander verwoben sind (s. S. 3), so gilt dies umso mehr in der unternehmensweiten Prävention. Konfliktmanagementsysteme (KMS) einerseits und Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) andererseits sind beides für sich notwendige und wirtschaftlich relevante Präventionssysteme. Zusätzliche Synergieeffekte entstehen, wenn beide Managementsysteme gemeinsam betrachtet und entwickelt werden, denn Zielsetzung, einzubeziehende Personengruppen (Betriebsärzte, Betriebsrat, HR, …) und Vorgehensweisen (z.B. Verfahrensstandards zu Kommunikation, Koordination und Controlling) ähneln sich vielfach. Die inhaltliche Überschneidung wird etwa deutlich bei der vorgeschriebenen Gefährdungsbeurteilung (vgl. Günther/Liepold 2018), die psychische Aspekte einbeziehen muss, z.B. das Konfliktpotenzial eines Arbeitsplatzes.
Die Etablierung von BGM und/oder KMS ist ihrerseits eine Organisationsentwicklung, mit dem dabei unvermeidlichen Stress- und Konfliktpotential, zumal angesichts der nötigen Vielzahl von Akteuren mit unterschiedlichen Interessen. Gut beraten ist ein Unternehmen, dass auch schon in dieser Phase gut – und das heißt: gesund – mit Konflikten umgeht.
Literaturhinweise
- Zu neurobiologischen Stressreaktionen im Konflikt und Veränderungen der psychischen Funktionen empfehlen wir Ballreich/Glasl: „Konfliktmanagement und Mediation in Organisationen“ 2011, S. 112 ff., sowie die DVD von Ballreich/Hüther: „Du gehst mir auf die Nerven“.
- Eine Übersicht empirischer Befunde zum Zusammenhang von „Führungsverhalten und Gesundheit“ findet sich bei Gregersen et al., in: Das Gesundheitswesen 1/2011.
- Zum Zusammenwirken von Arbeitsschutzexperten .und Beratern für Kommunikation & Führung wird demnächst erscheinen: Günther/Liepold 2018: „Gefährdungsbeurteilung der psychischen Belastung – und dann?“, in: „Sicherheitsingenieur“ 12/2018
Der gesamte Text stammt aus Wissenswertes aus Mediation und Mediationsausbildung, Ausgabe II/2018. Sie können diesen Rundbrief abonnieren.
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