Konfliktmanagement-Systeme
In allen Organisationen gibt es Konflikte
und alle Organisationen gehen damit irgendwie um – manchmal erfolgreich, manchmal mit Schwierigkeiten. Diese Schwierigkeiten können für die Betroffenen persönlich schlimm sein, und sie bergen ein hohes Risiko, die Organisation aufzuhalten (indem Führungskräfte über Gebühr damit beschäftigt werden) oder zu schädigen, z.B. durch Personalverlust. Konflikte können hingegen auch produktiv genutzt werden: Abläufe können optimiert, die Mitarbeiterführung verbessert (auch über den Konflikt hinaus) und überhaupt die Stimmung sehr gehoben werden.
Gewusst wie: Was alles bedacht werden will
Manche Unternehmen führen daher ein systematisches Konfliktmanagement ein. Das umfasst potentiell zahlreiche Komponenten, die im „Viadrina-Rad“ übersichtlich und vollständige zusammengefasst sind. Es hilft unabhängig davon, ob ein umfassendes Konfliktmanagement-System aufgebaut oder nur einzelne Komponenten installiert werden sollen. Nicht jede Komponente muss von Anfang an vollständig aufgebaut werden. Aber es ist nach unserer Erfahrung sehr wichtig, jede der neun Komponenten bei der Planung zu bedenken:
- Wie kann diese Komponente bei uns optimal gestaltet werden?
- Wie passt das zu unserer Unternehmenskultur?
- Was ist realistisch umzusetzen?
Zu schade, wenn z.B. Mediatoren ausgebildet werden, aber ein eingespieltes Verfahren fehlt, wie sie zum Einsatz kommen sollen. Für jede der neuen Komponenten gibt es mehrere unterschiedliche Elemente, mit denen sie realisiert werden kann, z.B.
- Die Konfliktbearbeitung kann durch interne oder durch externe Mediatoren erfolgen; vielleicht ist aber auch der Betriebsrat denkbar oder eine Ombudsfrau.
- Die gleichen Menschen können auch als Anlaufstelle dienen; oft ist aber ratsamer, das zu trennen, und den Mitarbeitern als erste Ansprechpartnerin z.B. Führungskräfte mit einer minimalen Konflikt-Ausbildung zu nennen.
Gewusst wer: Drei Promotoren müssen zusammenwirken
Fachwissen allein reicht nicht, um ein Konfliktmanagementsystem erfolgreich einzuführen. Vielmehr müssen mehrere Menschen und Rollen konstruktiv zusammenwirken, die unterschiedliche Eigenschaften haben. Diese „Promotoren“ hat einer von uns (Jürgen von Oertzen) in seiner Masterarbeit beschrieben:
Da wäre erstens die Fachpromotorin, die weiß, wovon sie (oder er) spricht. Wahrscheinlich ist sie ausgebildete Mediatorin; vielleicht Teil des Unternehmens, vielleicht auch extern. Der Machtpromotor, zweitens, hat die Kompetenz und den Zugriff auf Ressourcen, um so einen Change-Prozess durchzusetzen; in der Regel ist das die oberste Führungskraft. Denn die Einführung eines Konfliktmanagementsystem ist ein Change-Prozess, selbst wenn nur einzelne Komponenten eingeführt werden. Bei Change- bzw. OE-Prozessen ist entscheidend, alle Stellen und alle Menschen, die beitragen (oder schlimmstenfalls opponieren) könnten, zu überzeugen. Das ist Aufgabe des Beziehungs-Promotors: Er hat aufgrund seiner Rolle (z.B. in einer Querschnittsfunktion, oder als Betriebsrat) oder Kraft seiner Persönlichkeit viele gute Kontakte in die Organisation und weiß, mit wem man sprechen muss. Und er kann später Werbung machen, das Konfliktmanagementsystem dann auch wirklich zu nutzen.
Zusammen ergibt das die Zutaten, um ein Konfliktmanagementsystem einzuführen.
Mehr Informationen zur Rolle der Promotoren finden sich im Aufsatz: von Oertzen 2011: Promotoren des Konfliktmanagements, in: PwC/Viadrina 2011.
Unser Literatur-Tipp
Das Heft „Konfliktmanagement – von den Elementen zum System“ von PricewaterhouseCoopers und der Europa-Universität Viadrina 2011 beschreibt verschiedene Aspekte für den Aufbau von Konfliktmanagement-Systemen, z.B. den Einsatz von Promotoren und Mediatorenpools.
Mediatorenpools in Organisationen
Der Wert von Mediation in Organisationen ist unbestritten: Konflikte zügig angehen, Arbeitsbeziehungen sichern, Sachprobleme lösen, Prozesse glattziehen. Nur bleibt die Hemmschwelle oft hoch: An wen soll ich mich wenden? Darf ich einfach zugeben, einen Konflikt zu haben? Wie stehe ich als Führungskraft dann dar? Diese Fragen verlieren ihre Schärfe durch Normalisierung, also wenn Konflikte als normal gelten, vielleicht sogar als Chance, die ergriffen werden soll – in leichten Fällen durch ein Gespräch, in schwierigeren durch Mediation.
Zur Normalisierung beitragen können Mediatorenpools: Eine Gruppe gut ausgebildeter Mediatoren, die die Organisation kennen, und die einfach per Anruf oder E-Mail erreichbar sind. Das können externe Profis sein oder bei größeren Organisationen auch Mitarbeiter mit Mediationsausbildung, die bei Konflikten (außerhalb ihrer eigenen Abteilung) tätig werden können. Viele Organisationen sind erstaunt zu erfahren, wie viele ausgebildete Mediatoren es in den eigenen Reihen schon gibt. Es geht darum, sie zu finden, klug miteinander zu vernetzen und für Konflikte erreichbar zu machen, also: ein kleines Konfliktmanagement-System aufzubauen. Das ist kein Hexenwerk, braucht aber durchaus Aufmerksamkeit für die verschiedenen Komponenten des „Viadrina-Rads“ und die 3 Promotoren-Rollen.
Wie das konkret bei der Evangelischen Kirche Kurhessen-Waldau funktioniert, haben wir in einem Interview mit den zuständigen Akteuren erfahren.
„Das ist ein Schatz, der muss gehoben werden"
Zwei Jahre hat es gedauert, den Mediationspool der evangelischen Kirche Kurhessen-Waldau aufzubauen: Planung, Organisation, eine interne Weiterbildung für die schon ausgebildeten Mediatoren und viel „Klingeln“, also Bekanntmachung, gehörte dazu. Der Pool steht jetzt für Konflikte in und mit der Kirche, für Konflikte in der Diakonie und anderen angeschlossenen Einrichtungen zur Verfügung.
In dem Interview mit Einigungshilfe geben Diethelm Meissner(Referatsleiter Erwachsenenbildung) und Reinhard Brand (Referatsleiter Gemeindeentwickung) wertvolle Einblicke in den Prozess des Aufbaus ihres Mediatorenpools:
Einigungshilfe: Was war das Ziel, als Ihr den Mediationspool eingerichtet habt?
Meissner: Ich fände es toll, wenn dieser Pool von Mediatorinnen und Mediatoren dazu beiträgt, dass in unserer Kirche Konflikte in Zukunft anders ausgetragen werden und dass wir eine andere Kultur der Konfliktlösung einüben miteinander.
Brand: Wir wollen Konflikt so ein bisschen aus der Schmuddelecke herausholen. So ist das Leben: Konflikte gehören dazu.
Meissner: Es gab in unserer Kirche viele Jahre lang eine Mediationsausbildung. Der Zündfunke war, als ich realisierte, dass wir diese Mediatorinnen und Mediatoren nicht innerhalb der Kirche vermitteln. Da habe ich gedacht: „Das ist doch ein Schatz, der muss gehoben werden."
Einigungshilfe: Musste die Kirchenleitung überzeugt werden?
Brand: Also sagen wir mal so, wir haben informiert. Wir haben das einfach als gute Chance beschrieben und sind da offene Türen eingerannt. Und ich habe jedenfalls nur wohlwollende Reaktionen der Kirchenleitung darauf wahrgenommen. Klar ist: Die Systemspitze muss dahinterstehen.
Einigungshilfe: Gab es Herausforderungen, andere Stellen einzubinden?
Brand: Wir haben das ja breit kommuniziert, mit unserer OE-Institution, also mit den Playern, die irgendwie in dem Feld unterwegs sind und wo Claims abgesteckt sind. Wir haben wenig Konkurrenz untereinander. Das liegt aber auch daran, dass wir die anderen Player auf dem Feld breit und von Anfang an mit ins Boot genommen haben. Zumindest informativ.
Meissner: Also, es gab mal kleine Hakeleien, wenn es um die Frage der Zuständigkeiten ging. Aber da habe ich den Eindruck, das ist uns gelungen, die anderen Stellen auch mit einzubinden.
Einigungshilfe: Was war Euch wichtig beim Aufbau des Pools?
Meissner: Für uns ist die Qualitätssicherung entscheidend. Deswegen wollten wir nur Leute, von denen wir überzeugt sind, ins Feld schicken.
Brand: Wenn wir als Kirche angefragt werden, müssen wir Verantwortung übernehmen können. Wir wollen sagen können: „Das sind Leute, mit denen könnt Ihr das machen.“ Wir können jetzt nicht einfach X und Y hinschicken, von denen wir nicht wissen, wie sie arbeiten.
Meissner: Aber wir sind beide keine Mediatoren und können also inhaltlich nichts dazu sagen. Es wäre eine Alternative gewesen, uns jemanden vom Bundesverband für Mediation zu holen, der uns sagt, wie die Qualität auszusehen hat, und die Leute müssen zustimmen. Ich fand aber eine Stärke unserer Qualitätssicherung gerade, dass die Mediatorinnen und Mediatoren selbst ein Qualitäts-Profil entwickelt haben, und dass sie in dieser Weiterbildung gesagt haben, wie sie miteinander arbeiten wollen. Das ist einfach ein super Vorgang gewesen. Und das entwickeln wir ständig weiter. Und dass sie das mit großer Ernsthaftigkeit getan haben.
Brand: Außerdem haben wir eine strukturelle Qualitätssicherung durch einen verabredeten Fahrplan vom Erstkontakt bis zum Abschluss. Geregelt ist, wie die Fälle angenommen werden. Die Bearbeitung liegt dann bei den Mediatorinnen und Mediatoren. Aber wie die Fälle abgeschlossen werden, kommt dann auch wieder zu mir zurück. Und wir evaluieren die Fälle, und wir bieten allen Mediatorinnen und Mediatoren Supervision.
Meissner: Und wir haben mit Blick auf die Qualität noch die kontinuierliche Weiterbildung.
Einigungshilfe: Was war das Highlight für Euch bei diesem Aufbau des Mediatorenpools?
Brand: Für mich war das Highlight, dass wir tatsächlich Fälle kriegten, und zwar gar nicht so wenige. Aber Du musst „klingeln“: Da waren die vielen, vielen Mails. Du musst mit zu den Leuten gehen und musst auf die Konferenzen gehen. Aber dass wir den großen Rücklauf hatten an Mediationsanfragen, das war überraschend und hat mich sehr gefreut. Also ich bin auch ganz zuversichtlich, dass das gut weitergeht. Das spricht sich ja herum.
Meissner: Ich sage mal, mein Highlight war der Trainer, den wir dann ausgewählt haben. Der Prozess dazu war gar nicht so einfach. Wie kommen wir eigentlich dazu, da jemanden zu finden, der diese Weiterbildung macht, der sich darauf einlässt, der dafür geeignet ist? Und ich finde, dass Jürgen von Oertzen das mit sehr viel Humor gemacht hat und in der Gruppe sehr professionell. Das fand ich einen Glücksgriff.
Brand: Und der Trainer war immer ansprechbar, wenn wir den nächsten Schritt geplant haben. Unser Miteinander auf der Wegstrecke war mehr als „wir kaufen am Anfang was ein und bezahlen am Ende drei Module und so und so viel Supervisionssitzungen“.
Meissner: Es ist ihm gelungen, die unterschiedlichen Interessen von uns als Auftraggebern und von den Teilnehmenden in einer guten Weise zusammenzuführen, da immer wieder ins Gespräch zu kommen und das zu einem guten Prozess zu gestalten.
Einigungshilfe: Danke Euch!
Kundenstimme
„Man fühlt sich bei Dr. von Oertzen von Anfang an, bereits beim Kennenlerntelefonat verstanden. Er nimmt die Fragen und Nöte, die man hat, sofort auf.
Die Mediation verläuft in sehr angenehmer, ruhiger Atmosphäre. Seine ruhige und subtile Gesprächsführung macht es einem leicht, alles anzubringen, was man auf dem Herzen hat.
Zumindest für uns war der Termin bei ihm sehr erfolgreich. Wir haben sehr schnell unsere Probleme klären können und hatten bereits nach nur der Hälfte der veranschlagten Zeit unsere Lösungsstrategien gefunden.“
Ärztinnen einer Gemeinschaftspraxis nach einer Mediation
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Diese Inhalte stammen aus unserem Newsletter “Wissenswertes”.
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